Spielzeugfreie Zeit

Das Projekt

Seit dem Jahr 2003 führt unsere Einrichtung regelmäßig alle zwei Jahre das Projekt Spielzeugfreie Zeit durch.

Das Projekt dauert bei uns zwischen 8 und 12 Wochen. Die Kinder werden von uns auf die spielzeugfreie Zeit vorbereitet. Für sie fährt das Spielzeug in den Urlaub. Innerhalb von drei Tagen wird das Spielzeug dann mit den Kindern gemeinsam eingepackt und im Keller verstaut.

Hintergrund dieses Projektes ist die Lebenskompetenzen der Kinder zu stärken. Das bedeutet, die Kinder lernen sich verständlich zu machen und andere zu verstehen, eigene Bedürfnisse und die anderer wahrzunehmen und die Fähigkeit Beziehungen aufzubauen. Selbstbestimmte Lebens- und Lernerfahrungen sollen bei dem Projekt ermöglicht werden.

Die Kinder sollen:

  • Kreative Ideen entwickeln
  • Natur erleben – Spaß an und in der Natur haben
  • Eigeninitiative entwickeln
  • Langeweile erleben und aushalten
  • Eigene Fähigkeiten – Stärken und Schwächen erleben
  • Konfliktlösung entwickeln
  • Frustrationstoleranz entwickeln
  • Kommunikationsfähigkeit stärken
  • Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
  • Untereinander kooperieren
  • Förderung der Resilienz

Parallel dazu werden mindestens zwei Elternabende durchgeführt. Da die enge Zusammenarbeit und der intensive Austausch zwischen Erziehern und Eltern während des Projektes extrem wichtig ist.

Die Rolle der Erzieherinnen während des Projekts

Die Kolleginnen erstellen kontinuierliche Beobachtungen der Kinder. Die Kinder werden unterstützt nach dem Motto: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Die Erzieherinnen müssen den Kindern Vertrauen entgegenbringen, sich zurück halten, die Kinder „machen lassen“. Die Eltern werden informiert und sie werden ständig über die Entwicklung der Kinder auf dem Laufenden gehalten.

Unsere Erfahrungen

Es wird für die Kinder ein Spielraum für Phantasie und Kreativität und damit auch für Selbstbestätigung und Selbstbewusstsein geschaffen. Die Kinder entwickeln die Fähigkeit eigene Bedürfnisse zu erkennen, sie bekommen Zeit- und Spielraum, um Möglichkeiten und Grenzen zu erproben. Sie erleben und halten Frustration aus, ohne dass Erwachsene eingreifen.

Menschen mit weit entwickelten Lebenskompetenzen, die resilient sind und Handlungsalternativen selbst entwickeln können, sind weniger suchtgefährdet als diejenigen, die diese Fähigkeiten nicht besitzen.

Und so lief es 2012 ab…

Beobachtungen der ersten Wochen

Die Kinder sind gleich sehr kreativ in ihren Ideen, sie wirken sehr konzentriert bei ihrem Tun. Die Atmosphäre in beiden Gruppen ist sehr ausgeglichen, die Kinder wirken entspannt. Der Kontakt und die Kommunikation unter den Kindern ist sehr intensiv.

Die kleineren Kinder setzten häufiger „Schreien“ ein, um ihre Ziele zu erreichen, um sich durchzusetzen. In der folgenden Zeit sprühen die Kinder vor Ideen, sie entwickeln sie weiter und verfolgen sie gezielt. Am Nachmittag herrscht manchmal Langeweile. Vor allem bei den Frippes ist es nach dem Mittagessen sehr laut.

Es wirkt in den Gruppen wie selbstverständlich, dass die Kinder kein Spielzeug haben. Wir haben den Eindruck das Spielzeug ist vergessen. Das wertfreie Material wird von den Kindern sehr geschätzt.

Nach einigen Wochen

Es lösen sich vorhandene Gruppenstrukturen auf und Spielgruppen finden sich neu. Die Kinder sind in der Lage Konflikte selbständig zu lösen. Die Kinder halten sich viel draußen auf. Sie haben eine Hütte gebaut. Im Umgang mit Werkzeugen sind sie sehr geschickt.

Den integrativen Kindern tut die spielzeugfreie Zeit sehr gut. Sie öffnen sich mehr den anderen Kindern, sie sind kommunikativer. Die Kinder fordern das Turnen ein. Die Frippe Kinder gehen gerne zu den Querks , denn dort finden öfters, aufgrund jüngeren Kinder, angeleitete Spiele und Angebote statt.

Die Kinder führen intensive Gespräche miteinander und stellen sich selber Regeln auf. Sie regeln ihre Streitigkeiten ohne Hilfe von Erwachsenen. Die Kinder sind selbstbestimmter. In beiden Gruppen werden intensiv Rollenspiele gespielt.Bei den älteren Kindern ist viel „körperliches Kräfte-Messen“ zu beobachten.

Nach acht Wochen

Wir haben das Gefühl, dass die „Luft raus ist“, bei Kindern und Erziehern. Die Kinder verfolgen Ideen, die nicht gleich umgesetzt werden können, nicht mehr weiter. Das Spielverhalten hat sich verändert. Z. B. Rollenspiele werden nicht mehr so intensiv gespielt. Konflikte werden nicht mehr ganz selbständig gelöst. Die Kinder bewerfen sich mit dem wertfreien Material.

Die Kinder wünschen sich das Spielzeug zurück. Besonders wichtig ist ihnen das Spielzeug für das Außengelände. Aber auch die Bestückung der Turnhalle, Tischspiele, Mal-und Bastelutensilien, Puppen, -Kleidung und – Wagen sind den Kindern wichtig. Insgesamt kann man sagen, dass Kindern und Erziehern das spielzeugfreie Projekt sehr gut getan hat.

Befinden der Erzieher

Die Mitarbeiter fühlen sich sehr wohl, sie fühlen sich den Kindern näher. Einige fühlen sich überflüssig, genießen aber auch die Zeit für Beobachtungen mit den Kindern. Es ist schwierig, sich bei Konflikten der Kinder untereinander zurückzuhalten bzw. den richtigen Moment abzupassen, um einzugreifen.

Die Kleinteams müssen mehr kommunizieren, mehr Absprachen treffen. Den Erziehern fällt es schwer, sich von Strukturen zu lösen, die vor der spielzeugfreien Zeit den Alltag bestimmt haben.